Mehr als ein Jahrzehnt lang kannten die Deutschen nur eine Bewertung für die aktuelle Situation der Bauwirtschaft: der sog. Bauboom in Deutschland. Die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank sorgte lange Jahre für billiges Geld, das die Bautätigkeit in einer bis dahin nicht gekannten Weise beflügelte. Corona, politisch-kriegerische Entwicklungen und die damit und mit der laxen Geldpolitik verbundene Inflation beendeten die goldenen Jahre zunächst – so scheint es zumindest.
Nach dem für die Baubranche verwirrenden Jahr 2022 war für 2023 eine gewisse Konsolidierung der Lage zu erwarten. Dem stehen die realen Kennzahlen (Statistisches Bundesamt, Ifo-Institut) entgegen. Für die Monate Januar bis September 2023 liegen gesicherte Zahlen vor: Der Umsatz im Bauhauptgewerbe sank um 3,6 % (real, preisbereinigt) und der Auftragseingang um 5,6 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Dramatisch erscheint der Rückgang der Baugenehmigungen:
-37,8 Prozent bei Einfamilienhäusern
-52,5 Prozent bei Zweifamilienhäusern
-28,0 Prozent bei Mehrfamilienhäusern
Bei den fertiggestellten Wohnungen ist ein weiterer Rückgang zu beobachten: nach 295.000 im Jahr 2022 werden für 2023 noch 245.000 erwartet.
Ausgehend von einem Wahlversprechen wurden von der aktuellen Bundesregierung unter diesem Label verschiedene Maßnahmen zur Stärkung des Wohnungsbaus angekündigt. Die Schaffung von 400.000 Wohnungen pro Jahr, die noch 2022 versprochen worden war, wurde mittlerweile als nicht realistisch eingestanden.
Im September 2023 folgten dazu weitere programmatische Erklärungen. Diese beinhalten neben 18,15 Milliarden Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau bis 2027 diffuse Überlegungen zum nachhaltigen Bauen, zum Umbau von Gewerberaum zu Wohnraum und zur Zukunft der Heiztechnologie. Der angekündigte Milliardenbetrag sollte, da auf mehrere Jahre verteilt, selbst bei effizientester Verwendung nicht als volkswirtschaftlich relevant angesehen werden.
Die Prognosen dieser Institution erwiesen sich in der Vergangenheit oft als zutreffend. Für 2024 wird die Fertigstellung von 235.000 und für 2025 die von 210.000 Wohnungen vorhergesagt. Eine den Wohnungsmarkt entlastende Stärkung der Bautätigkeit wird nicht erwartet.
Erstmals nach über zwanzig Jahren sanken die Immobilienpreise im vierten Quartal 2022 erkennbar. Das Jahr 2023 entwickelte sich eher uneinheitlich. In der Branche wird allgemein von einer Konsolidierung gesprochen. Viele halten aber bereits jetzt diese als abgeschlossen. In Köln sind die Preise bei Eigentumswohnungen im vergangenen Jahr im Durchschnitt um rund 6 % zurückgegangen. Das bedeutet aber immer noch einen Wertgewinn über die letzten nur fünf Jahre von über 36 %! Bei Vorhersagen zur Preisentwicklung von Wohnimmobilien wird eine allgemeine Zurückhaltung spürbar. Den vorsichtigen Ausführungen der Insider können aber Gemeinsamkeiten entnommen werden.
Nach Schätzungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft wird der Wohnungsbedarf in Deutschland in den kommenden Jahren nicht zu decken sein. Besonders drückend wird er sich in den südlichen Bundesländern und im Ruhrgebiet empfunden werden. In Wuppertal wird der Bedarf an Neubau nur zu rund 40 % gedeckt werden, in Köln zu 48 % und in Stuttgart zu 53 %.
Allgemein wird für das Jahr 2024 eine weitere Abschwächung der Baukonjunktur erwartet. Optimisten sehen Licht am Horizont bereits für das Jahr 2025. Allerdings stehen dem die nüchternen Fakten, vor allem der bedenkliche Rückgang der Baugenehmigungen, entgegen. Der Baumaschinenhandel einschließlich der Vermieter musste im dritten Quartal 2023 einen Umsatzrückgang von 14,5 % hinnehmen. Eine Besserung der Lage wird zwar erhofft, aber nicht erwartet.
Die Situation ist merkwürdig: Die Bauwirtschaft steht bereit, die Banken suchen händeringend nach jeder Baufinanzierung, die Nachfrage übersteigt bei weitem das Angebot und den Marktgesetzen zum Trotz passiert nicht nichts, aber nur wenig. Die Einbrüche bei den Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäusern lassen den Schluss zu, dass sich der private Bauherr zu einem großen Teil zurückgezogen hat. Tatsächlich ist der Bau eines Einfamilienhauses zumindest in den Ballungsräumen nur noch selten für den Bezieher eines normalen Einkommens möglich.
Eigentumswohnungen sind in vielen Gegenden Deutschlands noch zu Quadratmeterpreisen unter 3.000 Euro erhältlich und dort darf eine weiterhin stabile Nachfrage erwartet werden.
In Maklerkreisen wird eine auffallende Zurückhaltung der privaten Investoren im Bereich der Mietwohnimmobilien festgestellt. Die Gründe können nur vermutet werden. Neben einem Mietrecht, das einseitig die Mieter bevorzugt, werden wohl administrative Maßnahmen wie Mietpreisdeckel, Sanierungspflichten, der Wegfall von Parkplätzen zugunsten von Radwegen und andere Auflagen das Ihre dazu getan haben.
Es geht weiter, wenn auch auf niedrigerem Niveau. Die Immobilienpreise werden, über ein Jahrzehnt betrachtet, in ein paar Jahren nicht gesunken sein. Ausgewählte Immobilien sind immer, auch jetzt, eine Investition wert.